Kurt Bormann

Kurt Bormann

Selbständiger Berufsbetreuer: Neue Karriere mit 63 Jahren

Erfolgspfad bringt Kurt Bormann in die Selbständigkeit / Er hilft Menschen, die allein nicht zurechtkommen

Hannover. Kurt Bormann ist auf dem Weg zu einem Mandanten. Der erste Termin an diesem Dienstag im Oktober. Bormann ist selbständig und betreibt seit etwa zweieinhalb Jahren ein Betreuungsbüro. Bormann ist 65 Jahre alt. Er hat nach dem Abschied aus dem Berufsleben nochmal neu angefangen. Mit 60 Jahren in Rente zu gehen, ist für viele Arbeitnehmer ein Traum. Für den gelernten Gymnasiallehrer war es das nicht. „Den ganzen Tag zu Hause herumsitzen – das ist nicht mein Ding“, sagt Bormann. „Ich war immer ein engagierter, sozialer Mensch mit vielen Aufgaben.“ Also musste eine neue Aufgabe her.

Bormann klingelt an dem kleinen Mehrfamilienhäuschen in Hannover-Misburg. Zweimal, dreimal. Dann öffnet sich die Tür. Andreas Deppe ist 34 Jahre alt – und benötigt derzeit Unterstützung durch einen Berufsbetreuer. Er bittet Bormann in die kleine Einzimmer-Wohnung. Die Fenster sind verdunkelt. An den Wänden des Wohnzimmers rundum Regale mit Hunderten CDs, Videokassetten, DVDs. Leere Chipsdosen liegen auf dem Boden herum. Auf dem Tisch stehen ein Toaster von Borussia Dortmund, verschiedene Dosen und Tablettenstreifen. Kurt Bormann räumt einen Stuhl frei und nimmt sich den Ordner mit Unterlagen auf den Schoß. Auf dem Sofa sitzt Deppe, sein Mandant.

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Bormann übernimmt gesetzliche Vertretungen für Menschen, die nicht allein zurecht kommen – entweder über einen Zeitraum oder bis zum Ende des Lebens. Für die ZulassungKurt Bormann durch die Betreuungsstelle der Region Hannover musste er sich selbständig machen. Vergütung für betreute Personen gibt es erst nach drei Monaten. Klienten vom ersten Tag an sind auch nicht die Regel. Er benötigte einige Anschaffungen. Also musste ein Startkredit her. Den bekommt man aber, wie Bormann lernte, nicht bei der Hausbank. Auch nicht, wenn man 40 Jahre lang treuer Kunde war und ein Haus finanzierte.

Was tun, um ein Startkapital für die Selbständigkeit zu bekommen? Bormann googelte die Begriffe „Businessplan“ und „Hannover“ und landete auf der Homepage der hannoverschen Agentur „Erfolgspfad – Unternehmer in Bewegung“. Das Angebot: „Wir erstellen Ihren Businessplan kostenfrei“, erinnert sich der 65-Jährige. Der Termin mit „Erfolgspfad“-Geschäftsführer Christian Eckstein war schnell vereinbart. Die Expertise des Unternehmens sind Businesspläne, Darlehen, Förderungen. Der Gründungs-Experte half zügig bei der Erstellung des Geschäftsplans und dem Antrag für einen Existenzgründungskredit bei der Grenkebank – einem verlässlichen Partner für Existenzgründer. Derweil hatte Bormann auch die Zusage von der Betreuungsstelle erhalten. Inzwischen hat Bormann um die 30 gesetzliche Betreuungen. „Ich habe mit dieser Anzahl gut zu tun“, sagt der Unternehmer. Er habe für sich festgelegt, jeden Betreuten etwa einmal im Monat zu besuchen.
An diesem Dienstag sitzt Bormann in Andreas Deppes Wohnzimmer. Bormann übernahm die gesetzliche Betreuung, als sein Mandant im Juni 2016 aus dem Koma erwacht war. „Das war eine absolute Notsituation“, erinnert sich Betreuer Bormann. Deppe war erst kurz zuvor mit seiner Mutter aus dem Elternhaus in Spenge nach Hannover gezogen. Während seiner Krankheit starb die Mutter. „Mit 31 ohne Eltern zu sein, ist schon mies“, sagt Deppe, der seit der Erkrankung einen künstlichen Darmausgang hat. Mit seiner Gesundheit war es schon immer nicht so gut bestellt. Ärzte haben zudem Rheuma, Darmbruch, Morbus Bechterew und Morbus Crohn diagnostiziert.

Sie gehen die Auszüge durch. Deppe hat noch 40 Euro auf seinem Konto. Es ist eng, wie jeden Monat. Die Kontoführung hat allein der Mandant. Bormann hat den Überblick. In der Regel lebt Deppe von knapp 300 Euro monatlich. Eine auf die Darmerkrankung ausgelegte ausgewogene Ernährung ist damit de facto kaum möglich. Anträge und Regelungen unterscheiden sich von Nordrhein-Westfalen nach Niedersachsen.
Die Tante des 34-Jährigen und deren Kinder kümmern sich regelmäßig um den chronisch Kranken, zum Beispiel bei anfallenden Haushaltstätigkeiten. Große Unterstützung erfährt Deppe zudem von seiner Vermieterin. Die Familie möchte allerdings nichts mit der finanziellen Betreuung zu tun haben. „Das ist auch sehr viel Verantwortung“, sagt Deppe. Im Arbeitsalltag von Bormann keine Seltenheit. „Das ist nicht ungewöhnlich“, sagt der Berufsbetreuer. „Das Thema Geld ist in Familien sehr konfliktbehaftet. Wenn jemand wie ich von außen kommt, ist es einfacher, darüber zu sprechen.“

Und so unterhalten sich die beiden rund 35 Minuten. Viel Geschäftliches, ein bisschen privat. Für Deppe ist die persönliche Ebene wichtig. „Bei ihm hat man nicht das Gefühl, nur auf die Krankheiten reduziert zu werden“, sagt Deppe. Dann geht Bormann. Er hat noch zwei weitere Termine an diesem Tag. Mit Menschen, die nicht allein zurecht kommen.

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